Die Niederlage bei den SWÖ-Kollektivvertragsverhandlungen offenbart die Schwächen von Interessenvertretungen wie GPA/djp und vida. Die Selbstorganisation in basisdemokratischen Gewerkschaften bietet eine Alternative für all jene, die sich nicht mehr einreden (lassen) wollen, dass sie am kürzeren Ast säßen.
Nach den Warnstreiks vom 16. und 17. Februar 2018 kam es in der diesen folgenden Verhandlungsrunde zum SWÖ-Kollektivvertrag zu einem Abschluss. Hätte es keinen Abschluss gegeben, wären diese Woche wieder Betriebe bestreikt worden. Viele Belegschaften waren bereit weiter für ihre Anliegen zu kämpfen. Vor allem die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche konnte viele von uns mobilisieren – und wurde zugunsten des Abschlusses aufgegeben.
Entsprechend ernüchtert bis wütend waren die Reaktionen auf die Versuche der Gewerkschaften GPA/djp und vida, das Verhandlungsergebnis als Erfolg darzustellen. Als Betroffene fühlen wir uns von den Verhandler*innen verraten.
GPA/djp und vida tun, was sie nach jeder Niederlage machen: Sie beschwichtigen und erklären uns, dass ohne sie alles noch viel schlimmer wäre.
Und viele Angestellte artikulieren ihren Zorn über die Weigerung der Verhandler*innen von GPA/djp und vida, ihren durch die zuletzt gut gelaufenen Mobilisierungen geschaffenen Spielraum auch auszunutzen.
Es wirkt fast wie ein Ritual, das sich jedes Jahr wiederholt: Die Vertretenen klagen, dass ihre Interessen verraten wurden und die Vertreter*innen beklagen den mangelnden Rückhalt und die mangelnde Mobilisierung der Belegschaften. Diesmal ist die Situation jedoch anders, da die Mobilisierungen gut angelaufen waren, trotz angedrohter Repressalien durch manche Geschäftsführungen und kaum vorhandener Unterstützung seitens der Apparate von GPA/djp und vida. Schlüssig begründen können GPA/djp und vida ihre mangelnde Kampfbereitschaft somit nicht.
Anstatt hier die einzelnen Versäumnisse polemisch breitzutreten, wollen wir nun aber zwei grundsätzlichere Fragen stellen: Ist die Ursache für dieses wiederkehrende Problem nicht vielleicht im Konzept Interessenvertretung selbst zu finden? Und welche Vorteile bringt die Selbstorganisation der Betroffenen?
Das Konzept der Interessenvertretung sieht vor, dass Vertreter*innen sich um die Interessen von uns Arbeitenden kümmern. Sind wir unzufrieden könnten wir ja beim nächsten Mal jemand anders wählen. Dazu kommt jedoch, dass diese Vertretungsorganisationen oft Eigeninteressen verfolgen. Die Gründe dafür sind vielfältig: parteipolitische Interessenkonflikte, Abhängigkeitsverhältnisse, PR-Strategien, …
Für viele Angestellte ist dieses Modell ebenso verlockend. Viele von uns haben nicht die notwendige Zeit, manche keine Lust, selbst was auf die Beine zu stellen. Hinzu kommt, dass es in Österreich eine lange Tradition der Unterwürfigkeit gibt und wenige erfolgreiche basisdemokratische Mobilisierungen gab, die uns zum Handeln ermutigen würden. So ist es verständlich, dass viele von uns in einer riskanten, unbekannten Konfliktsituation nach vermeintlichen Expert*innen rufen, die sagen können, wo es langgeht und uns am besten auch noch das Risiko abnehmen.
Organisationen mit diesem Konzept nehmen diesen Ball dann gerne auf und leiten für sich gleich einen Führungsanspruch ab. So wollen sie nicht nur für uns verhandeln, sondern auch für uns entscheiden. Und das Verhalten der Belegschaften kontrollieren können – damit ihre Rolle als alleinige Interessenvertretung nicht in Gefahr gerät.
Entsprechend informieren sie uns lediglich über die Verhandlungsergebnisse und lassen uns nicht darüber abstimmen, ob der verhandelte Kompromiss wirklich unserem Interesse entspricht. Auch das Abstimmungsverhalten der Verhandler*innen wird in der Regel nicht transparent gemacht, was uns die Kontrolle der Interessenvertreter*innen unmöglich macht.
Somit kann es schnell passieren, dass die beste Mobilisierung wirkungslos bleibt. Denn die Arbeitgeber*innen haben es nur mit einem Team von Verhandler*innen zu tun und diese können – sofern sie Ergebnisse nicht von der Basis abstimmen lassen müssen – viel einfacher über den Tisch gezogen oder unter Druck gesetzt werden. Die Macht, die gut organisierte, solidarische Belegschaften in Arbeitskämpfen ausüben können, kommt nicht zur Geltung.
Erfolgsversprechender könnte das basisdemokratische Modell der Selbstorganisation sein. Bei diesem finden wir uns in Betriebsgruppen in unseren Arbeitsstellen zusammen und entscheiden demokratisch, was wir tun und mit wem wir kooperieren wollen. Es gibt keine Vorsitzenden, die dann über unsere Köpfe hinweg entscheiden, sondern nur Delegierte, die den Standpunkt der Gruppe übermitteln.
So entscheiden wir Betroffene selbst, ob wir für die Verbesserung unserer Arbeitsbedingungen oder Lohnerhöhungen streiken wollen und ob eine Lösung wirklich in unserem Interesse ist, oder nur ein fauler Kompromiss. Die Arbeitgeber*innen haben also ein viel mächtigeres Gegenüber und sitzen auf einem sehr viel kürzeren Ast.
Wenn es zahlreiche Betriebsgruppen gibt, die sich gegenseitig solidarisch unterstützen, ist diese Organisationsform auch über Betriebs- und Branchengrenzen hinweg äußerst effektiv, ohne dass über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden könnte.
Dieses Modell ist nicht utopisch, sondern wurde und wird in vielen Arbeitskämpfen auf der ganzen Welt eingesetzt. Der Erfolg der Arbeitskämpfe hängt dabei vom Zusammenhalt und der Entschlossenheit der jeweiligen Beschäftigten ab.
Diese haben eine große Palette an Handlungsmöglichkeiten. Dazu gehören Streiks, aber auch andere direkte Aktionen.
Der Weg zum Gericht wird von uns nur im Ausnahmefall genommen, denn dort haben jene die besseren Karten, die mehr Geld haben und die Belegschaft kann den Ausgang eines Verfahrens kaum beeinflussen. Daher werden – im Unterschied zum Konzept der ÖGB-Gewerkschaften – Konflikte am Arbeitsplatz ausgetragen, also dort, wo die Belegschaft ihre volle Macht ausüben kann.
Die IWW sind eine solche basisdemokratische Gewerkschaft. Wir bietet arbeitenden, aber auch z. B. arbeitslosen und pensionierten Menschen die Möglichkeit, in einer solidarischen Gemeinschaft gemeinsam für bessere Lebensbedingungen zu kämpfen. Die Erfahrungen, die diese Gewerkschaft seit ihrer Gründung im Jahr 1905 in Arbeitskämpfen in vielen Ländern gesammelt hat, sind die Grundlage für unsere Organisationsstruktur und unsere Strategie, Konflikte mit Arbeitgeber*innen, Behörden und anderen Gegner*innen auszutragen. Die Idee, sich selbst zusammenzuschließen und zusammenzuhalten ist ganz anders, als die Strategien von Interessenvertretungen und leicht zu erlernen.
In Trainings lernen wir, wie wir beim Aufbau von solidarischen Betriebsgruppen an unseren Arbeitsstellen am besten vorgehen und in welche Fallen wir nicht tappen dürfen.
Dazu gehört, dass wir uns überlegen, wie wir möglichen Diffamierungen und Repressalien der Geschäftsführungen entgegenwirken können – am besten schon im Voraus. Und wir erarbeiten und üben im Training, mit welchen Aktionen wir am besten Druck aufbauen können. Wir erarbeiten keine Lösungen für abstrakte Fallbeispiele, sondern für die konkreten Probleme, mit denen wir uns in unserem Arbeitsalltag herumschlagen müssen.
Selbstorganisation ist für uns keine abgehobene Theorie, sondern ein alltagstaugliches Werkzeug zur solidarischen Selbstermächtigung.
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