IWW Österreich | die solidarische Gewerkschaft

Organizing

So lange es Lohnarbeit gibt, wird es auch Probleme am Arbeitsplatz mit den ChefInnen geben.

Unser Gewerkschaftskonzept nennen wir in der IWW Solidarischer Unionismus. Ausgangspunkt ist für uns immer die Solidarität unter den ArbeiterInnen unserer Klasse gegen alle Spaltungen nach Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe oder sexueller Orientierung. Die Methoden mit denen wir uns nach diesem Konzept organisieren, nennen wir Organizing.

Den englischen Begriff benutzen wir deshalb, weil wir innerhalb der IWW weltweit unsere Kampferfahrungen austauschen und voneinander lernen. Ein Problem mit dem wir uns heutzutage beschäftigen müssen ist der technologische Angriff der Unternehmen, mit denen sie uns über weite Teile erfolgreich im Alltag spalten. Dazu gehören Sozialtechniken wie MitarbeiterInnengespräche, Teamsitzungen, ‚leistungsbezogene Bezahlung’, Qualitätsmanagement ebenso wie Computer und Apps. Sie werden dazu verwendet uns voneinander zu isolieren und uns zu suggerieren wir wären auf uns alleine gestellt. Wenn wir anfangen diese Herrschaftsideologien zu glauben, verdrängen wir unsere erfolgreiche Tradition des Widerstands. Die UnternehmerInnen haben aus dieser vielfältigen Geschichte besser gelernt als wir.

IWW OrganizerInnen arbeiten so gut wie immer in dem Betrieb in dem sie organisieren.

Weil die Unternehmen und mit ihnen auch intellektuelle VordenkerInnen an den Universitäten und in den Unternehmensberatungen in den letzten 20 Jahren so erfolgreich sind, steht auf unserer Seite die Notwendigkeit Widerstand neu zu lernen. Angst ist dabei eines der zentralen Themen unserer Leben. Es ist die Offensive der UnternehmerInnen die uns dazu treibt tendenziell lieber zu versuchen uns alleine ‚durchzuboxen’ statt uns in Solidarität mit KollegInnen zu organisieren. Die USA und Deutschland gehören zu den führenden Nationen dieser weltweiten technologischen Innovationsoffensive. Es ist deshalb kein Zufall, wenn wir viele Impulse aus den USA zur betrieblichen Organisierung aufnehmen und versuchen weiter zu entwickeln.

Suchbewegung und neue Erfolge

In den späten 1990ern suchten u.a. AktivistInnen der IWW nach neuen Wegen gewerkschaftlicher Organisation. Leider waren viele Erfahrungen verloren gegangen oder unbrauchbar weil sich die Managementtechniken der Unternehmen so geändert hatten. Nach Jahren des Ausprobierens mit einer sehr kleinen Anzahl von Aktiven, konnte ein kleiner Kreis von ArbeiterInnen in New York City Anfang der 2000er einen Erfolg verbuchen die die IWW wieder bekannt machen sollte. Es war die „Starbucks Workers Union“, die Gewerkschaft der ArbeiterInnen bei Starbucks. Im Jahre 2004 gingen sie an die Öffentlichkeit und bewiesen, dass man auch in so genannten gewerkschaftsfernen Bereichen, mit hoher Fluktuation der Beschäftigten, Teilzeitangestellten und unter den Bedingungen hochtechnologisch gerüsteter Chefs, Widerstand aufbauen kann. Eine der größeren Kampagnen folgte ebenso bei der Sandwichkette Jimmy John’s 2007, die den bis dahin größten Organisierungsversuch in der Systemgastronomie der USA darstellte.

In ihnen lernte eine neue Generation von IWW OrganizerInnen; aktive ArbeiterInnen die sich zum Ziel setzten sich mit ihren KollegInnen zu organisieren, aktiv Widerstand gegen die ChefInnen zu leisten. Zu den ‚neuen Erkenntnissen’ gehörte, dass wir wieder neu lernen müssen solidarische Beziehungen aufzubauen. Arbeitsplätze sind zwar zusammengehalten durch die Beziehungen von uns ArbeiterInnen untereinander, aber unter der versuchten Kontrolle und Vorauswahl durch ChefInnen. Sie sind es die durch die Anordnung unseres Arbeitsplatzes, der Büros, der Schichtzusammensetzung, der Raumaufteilung, der Auswahl der KollegInnen versuchen zu bestimmen wie wir miteinander in Kontakt treten.

Dieses Vorgehen ähnelt der so genannten ‚militanten Untersuchung’.

Unter diesen Bedingungen Widerstand zu organisieren gehört zu den Herausforderungen betrieblicher Organisierung. Von den gemachten Erfahrungen profitieren alle Mitglieder der IWW in Form der Weitergabe des Wissens über unser Organizing Training, in dem wir Techniken, Erfahrungen und Beispiele aus unserer Praxis darstellen.

Unser Vorgehen lässt sich anhand von drei Punkten umreißen:

(1) IWW OrganizerInnen arbeiten so gut wie immer in dem Betrieb in dem sie organisieren. Sie verlassen sich nicht auf professionelle Gewerkschaftssekretäre. Damit bleiben auch die Erfahrungen und das Wissen das im Organizing erworben wird, in der ArbeiterInnenklasse.

(2) Während Gewerkschaften ihre Mitglieder oftmals Mitgliedskarten unterschreiben lassen um für sie zu verhandeln, fokussieren die IWW darauf KollegInnen als AnführerInnen auszubilden. Dazu kommt ein hohes Maß an Engagement mit dem Ziel die wirkungsvollste Waffe von ArbeiterInnen freizusetzen: direkte Aktionen auf Betriebsebene. Die Gewerkschaft ist jeden Tag auf Betriebsebene aktiv, sich gegenseitig unterstützend um den täglichen Kampf mit kleinen und großen Aktionen gegen den Chef in Bezug auf Probleme im Betrieb zu führen.

(3) In IWW Kampagnen, entscheidet das Organizing-Komitee der ArbeiterInnen über ihre Aktionen, nicht die GewerkschaftsfunktionärInnen, Anwälte, oder PR-Menschen. Diese Unterschiede sehen zu Beginn nach kleinen Details aus, haben aber eine weitreichende Folge auf die Form der Bewegung die aufgebaut werden soll. Durch den Aufbau einer Gewerkschaft die von ArbeiterInnen geführt wird, arbeitet die IWW an dem Aufbau einer Welt die in der Hand von ArbeiterInnen liegt. [Aus: Forman, Erik (2014): „Revolte in der Fast-Food-Nation: Die Wobblies knüpfen sich Jimmy John’s vor„]

Dabei entscheidet niemand von außen was die KollegInnen im Betrieb an Aktionen machen sollen, was die Probleme sind und wie das Vorgehen ist. Das Organizing-Komitee, bestehend aus aktiven KollegInnen entscheidet darüber selbst und bekommt Unterstützung von der Ortsgruppe oder der gesamten IWW. Dieses Vorgehen ähnelt der so genannten ‚militanten Untersuchung’. Klar ist nur: So lange es Lohnarbeit gibt, so lange wird es auch Probleme am Arbeitsplatz mit der/dem ChefIn geben.

Was unser Organizing unterscheidet

Im deutschsprachigen Raum wird mindestens in den letzten zehn Jahren auch bei den DGB-, ÖGB-, SGB-Gewerkschaften von Organizing geredet. Dabei meinen sie etwas anderes als wir. Ihre Analyse lautet, dass die Gewerkschaftsbasis inaktiv ist, keine Konflikte führen kann und will und von den hauptamtlichen, bezahlten FunktionärInnen erst „aktiviert“ werden muss. Diese „Aktivierung“ dient dazu Kampagnen, die in den gewerkschaftszentralen beschlossen wurden, durchzuführen. Durchgeführt wird diese „Aktivierung“ vor allem von jungen AkademikerInnen mit mehr oder weniger gut bezahlten Stellen, die ausführlich mit dem aktuellen Stand der manipulativen Sozialtechniken vertraut sind.

Eine Reihe von guten Kritiken lassen sich hier finden:
„Wie sich der Reformismus in die »spannenden Jobs« vieler Linker schleicht“ 
„Gewerkschaften auf neuen Wegen: Wenn der Kollege zum Kunden wird“ 
»New Labour« – »New Gewerkschaft«
„Linkes Co-Management. Kritische Bemerkungen zu Ideologie und Praxis gewerkschaftlichen Organizings“
Dossier auf Labournet.de