IWW Österreich | die solidarische Gewerkschaft

Sozialstaat wird demontiert

on 17. November 2016 Allgemein with 0 comments

Niederösterreich hat nun also auch eine Kürzung der Mindestsicherung beschlossen. Nach Oberösterreich marschiert damit ein zweites Bundesland bei der stückweisen, aber stetigen Demontage des österreichischen Sozialsystems voran. In St. Pölten hat man dabei auch die Vorarbeit aus Linz genutzt und noch restriktivere Regeln verabschiedet. Während etwa die Kürzungen in Oberösterreich „nur“ Asylberechtigte betreffen, gelten die neuen Bestimmungen in Niederösterreich für alle. In beiden Bundesländern geht es aber in dieselbe Richtung: wer auf die Mindestsicherung angewiesen ist – weil er oder sie keinen Job hat oder nicht arbeiten darf, kein Vermögen besitzt und keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe hat – wird künftig von dieser kaum mehr leben können.

572,50 Euro statt mehr als 800 wie bisher sollen Menschen in Niederösterreich künftig bekommen, die weniger als fünf Jahre in Österreich ansässig waren – dies richtet sich erneut insbesondere gegen Asylwerber, wird aber auch viele andere Menschen betreffen. Besonders perfide ist zudem die Deckelungsregel, wonach Haushalte künftig gemeinsam maximal 1.500 Euro Mindestsicherung beziehen dürfen. Dies richtet sich direkt an die Bemühungen von NGO‘s, Wohngemeinschaften für Flüchtlinge zu etablieren. Denn künftig werden die Sozialleistungen aller unter einem Dach lebenden Menschen zusammengezählt. Leben also fünf oder sechs Menschen, die von der Mindestsicherung abhängig sind, in einem Haushalt, müssen sie gemeinsam mit 1.500 Euro Miete, Nahrung, Kleidung und alles andere bezahlen. Allerdings betrifft die Deckelung nicht nur Asylwerber. Die „Armutskonferenz“ hat bereits Alarm geschlagen: die Deckelung in Niederösterreich werde „zu einschneidenden Verlusten bei einer Vielzahl von Haushalten, u.a. bei Haushalten von Menschen mit Beeinträchtigung“ führen, so das Netzwerk sozialer Organisationen in einer Pressemitteilung.

Zwangsarbeit statt Lohnerhöhungen

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Doch auch die Bestrafung von Armut mit Zwangsarbeit steht vor der Tür. In Niederösterreich wurde beschlossen, dass Mindestsicherungsbezieher künftig „gemeinnützige Hilfstätigkeiten“ verrichten müssen. Dies bedeutet nichts anderes als Lohndumping, denn auf diese Weise sollen bisher reguläre Jobs durch zwangsverpflichtete SozialleistungsbezieherInnen verrichtet werden. Eine in alle Bereiche wirkende Lohnspirale wird die Folge sein – wer dies nicht glaubt, dem sei ein Blick in die Hartz-IV-Republik Deutschland empfohlen.

Gebetsmühlenartig behaupten insbesondere ÖVP- und FPÖ-PolitikerInnen, dass die Mindestsicherung zu hoch sei. Denn jene Menschen, die arbeiten gehen, würden ja kaum mehr Geld bekommen als jene, die von der Mindestsicherung leben. „Jemand, der arbeitet, muss mehr in seiner Geldbörse vorfinden als jemand, der ein arbeitsloses Einkommen lukriert“, fasst ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll die Position seiner Partei zusammen. Schön und gut – die Schlussfolgerung kann aber nur sein: Lohnerhöhungen und höhere Mindestlöhne! Jene in die Armut zu drängen, die keinen Job bekommen oder gar nicht arbeiten dürfen, wird hingegen den NiedrigverdienerInnen mit Sicherheit nicht helfen. Ein Schelm, wer denkt, den Mindestsicherungskürzern ginge es etwa darum, Arme, Flüchtlinge und NiedrigverdienerInnen gegeneinander auszuspielen.

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Fotos: IESM (CC BY-SA 2.0); torange.biz (CC BY 4.0)