von X362729
Eigentlich hat alles ganz gut begonnen. Eine Stellenausschreibung, ein Bewerbungsschreiben hingeschrieben, noch am gleichen Tag einen Anruf bekommen, kurz darauf einen Termin für ein Vorstellungsgespräch, zwei Stunden probearbeiten, Zusage erhalten und dann gleich einmal den unbefristeten Dienstvertrag unterschrieben.
Ich bekam einen schicken Schreibtisch, wurde gemütlich eingeschult, bekam tolles Feedback, was ich nicht für eine Bereicherung für das Team wäre und was ich nicht für tolle Arbeit leiste. Irgendwie komisch war es zwar schon, aber selber konnte ich es irgendwie nicht ganz greifen. Ein diffuses Gefühl war vorhanden, manches Verhalten von Kolleg*innen ließ sich nicht ganz einordnen, aber nichts Greifbares, nichts, was konkret feststellbar gewesen wäre.
Und dann ging es auf einmal Schlag auf Schlag. Ein Kollege wurde gekündigt, was dazu führte, dass man sich selber noch unwohler fühlt. In Besprechungen und bei Planungen bzgl. des Dienstablaufes wird man plötzlich außen vor gehalten, man bekommt nicht mehr alle Informationen, es wird getuschelt. Jede Handlung von einem wird in Frage gestellt, alles muss nachbesprochen werden und ich musste mich für alles rechtfertigen, warum ich wie und warum gehandelt habe. In dieser Zeit hat es auch angefangen: ich fühlte mich abgekämpft, müde, so richtig guter Schlaf wollte sich auch nicht mehr einstellen. Zweifel an der eigenen beruflichen Kompetenz kamen auf. Das Privatleben litt darunter, ich agierte nur mehr genervt oder im beruflichen Rahmen unterwürfig meinem Team und im speziellen meiner Vorgesetzten gegenüber, die zugleich Betriebsrätin im Unternehmen war. Die Hoffnung war lange da, dass sich die Situation verbessern würde, dies nur für eine kurze Zeit so ist, dass das alles nur wegen des gekündigten Kollegen so ist.
Je mehr ich mich an die Teamdynamik anpasste, desto mehr Druck wurde auch auf mich ausgeübt, desto mehr musste ich mich verteidigen, meine Arbeit begründen. Mehr und mehr beruflich relevante Informationen wurden mir vorenthalten, Themen wie Urlaubsplanung wurden ohne mich besprochen und die eigene Planung des Urlaubes wurde zum großen Problem gemacht. Berufliche Unterlagen verschwanden und wurden plötzlich hervorgeholt, um mir vorzuwerfen, dass ich Informationen vorenthalte und „mein“ Team nicht an meiner Arbeit teilhaben lassen will. Vorwürfe, dass meine Sprache zu abgehoben ist und ich ein Sexist sei und angeblich auch eine Kollegin beschimpft habe.
Es brauchte ein paar Monate, bis mir klar wurde, dass hier was extrem schief läuft und ich eigentlich in einer Dynamik war, in der ein Blick auf die eigene Situation einfach nicht mehr möglich war. Nun, ich bin grundsätzlich nicht zaghaft, was Konflikte am Arbeitsplatz betrifft, bin seit Jahren politisch und/oder gewerkschaftlich aktiv, IWW-Organzier und habe selbst Fellow Worker in ähnlichen Situationen begleitet und beraten. Aber selbst in dieser Situation zu sein, zeigt plötzlich auf, wie schnell man in einer Dynamik ist, in der man alleine einfach nicht mehr rauskommt. Die Erkenntnis des Mobbings/Bullyings ereilte mich eines morgens vor der Arbeit, nachdem ich wieder wenige Stunden geschlafen hatte und einfach frustriert an die Wand starrte.
Also was tun? Der Vorteil als IWW-Mitglied ist zunächst einmal der Rückgriff auf Wissen und Unterstützung. Ich kontaktierte andere Organizer*innen der IWW-Wien und erzählte, was gerade Thema ist bei mir. Weiters stellte ich Kontakt zu dem gekündigten Kollegen her und erzählte meine Situation meinen Fellow Workern vor Ort. Und dann ging es wieder Schlag auf Schlag. Mit Organizer*innen meiner Ortsgruppe wurden mögliche Ziele formuliert und Strategien ausgearbeitet. Das Treffen mit dem gekündigten Kollegen war durchwegs interessant, da er einen ehemaligen Kollegen mitbrachte, dem es ähnlich ergangen war. Fellow Worker meiner Ortsgruppe riefen mich an, schickten mir E-Mails und waren für mich da. Und plötzlich hatte ich wieder Macht, nicht nur emotional, sondern auch meiner Vorgesetzten und meinem Team gegenüber. Zu wissen, was man tun soll und nicht alleine zu sein ermöglichte mir viel Freiheit und Handlungsspielraum. Damit konnte ich die Situation beeinflussen, ja sogar gezielt kontrollieren.
Und so passierte es auch. Ich wurde wieder zu einem Gespräch mit meiner Vorgesetzten geladen, nur diesmal erklärte ich die Situation sachlich, ruhig, aber durchwegs bestimmt. Das führte zunächst allerdings dazu, dass es im Team ein großes Drama gab, wie furchtbar ich nicht sei. Am nächsten Morgen kam auch schon der Anruf der Personalabteilung: Ich brauche nicht in die Arbeit zu kommen und ob ich morgen ins Personalbüro kommen kann.
So war es dann auch. Nächster Tag: Termin beim Personalchef. Hier orientierte ich mich an dem, was die Organizer*innen der IWW-Wien empfohlen hatten bzw. was wir gemeinsam erarbeitet hatten. Nach einer einstündigen Unterredung wurde ich für drei Wochen bei vollen Bezügen freigestellt.
Drei Wochen später war ich wieder im Büro des Personalchefs, diesmal für eine Aussprache mit Personalchef und direkten Vorgesetzten. Ruhig bleiben, sachlich bleiben und nicht Ärgern war die Devise. Dies hatte den Effekt, dass meine Vorgesetzte minütlich aufbrausender und ungehaltener wurde. Dies ging soweit, dass der Personalchef die Aussprache abbrach und ich für weitere drei Wochen bei vollen Bezügen freigestellt wurde.
Nach insgesamt sechs Wochen bezahlter Freistellung bekam ich erneut einen Anruf und meine neue Dienststelle wurde mir mitgeteilt.
Keine Frage, es war keine großes Tamtam, keine fliegenden Fahnen, keine spektakulären Aktionen, keine heroischen Taten von Sabotage und Direkter Aktion. Aber es war Schutz, Sicherheit, verhinderte dass ich aufgrund Bossings in finanzielle Schwierigkeiten geriet, es schütze meine Gesundheit, und das für mich definierte Ziel war vorhanden. Und hier zeigte sich für mich im kleinen Rahmen die Macht und die Effizienz der IWW – ohne lange Gerichtsprozesse, ohne bürokratische Hürden. Ja, ich habe die Gespräche selbst geführt, aber ohne meine Gewerkschaft, hätte ich weder die Taktik entwickeln können, noch die Kraft gehabt, diese umzusetzen. Sich austauschen zu können, Strategien und Handlungsmöglichkeiten gemeinsam zu entwickeln, zu wissen, dass man nicht alleine ist, dass Unterstützung da ist – dies hat es mir ermöglicht, erfolgreich die Situation zu verändern.
Und dann? Meine neuen Vorgesetzten nach der Versetzung griffen mich mit Samthandschuhen an und waren sehr bemüht, das ich mich auf alle Fälle „wohl“ fühlte. Tja, eines Tages läutete mein Telefon: Ob ich an einer Stelle in einem anderen Unternehmen Interesse hätte. Mehr Bezahlung, weniger Stunden. Also ging ich wieder zu meinem Personalchef, welcher mir erklärte, wie schade es sei, dass ich kündige, aber er freue sich, dass die Probleme gelöst werden konnten. Und meine Minusstunden, die ich angesammelt hatte? Nein, natürlich werden diese nicht mit meinen Urlaubstagen gegengerechnet und ich soll mir doch einfach aussuchen, ob ich meinen Resturlaub konsumieren möchte oder dieser ausbezahlt werden soll.
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