Über die aktuellen Umweltbewegungen, den Hass, der ihnen entgegen schlägt und warum ohne Arbeitszeitverkürzungen und Generalstreik kein Ende der Klimakatastrophe möglich ist.
Vor etwas mehr als einem Jahr begann die junge Schwedin Greta Thunberg ihren Schulstreik und sorgt seither mit ihren Reden und ihrer konsequenten Haltung dafür, dass die Klimakrise nicht mehr so einfach verdrängt und verleugnet werden kann. Soziale Bewegungen wie fridays4future oder Extinction Rebellion und Umweltkatastrophen, wie die großflächigen Waldbrände in Sibirien oder dem Amazonas, lassen mehr und mehr Menschen erkennen, dass die Menschheit dabei ist, ihren eigenen Lebensraum zu zerstören.
Zudem wird der Ruf nach Klimagerechtigkeit lauter, also dass diejenigen, die für die schwerwiegendsten Emissionen verantwortlich sind, nicht die Konsequenzen der Umweltzerstörung auf die Allgemeinheit abwälzen können. Oft sind diejenigen, die es besonders hart trifft, Menschen, die selbst kaum zu den Emissionen beitragen.
Erfreulicherweise erkennen auch immer mehr organisierte Arbeiter*innen, wie dringlich Lösungen für diese Krise gefunden werden müssen. Bündnisse wie workers4future sind im Aufbau und immer häufiger wird ein Generalstreik für das Weltklima diskutiert. Kürzlich sind 130 Arbeiter*innen in Belfast radikal vorangegangen, haben die stillgelegte Werft besetzt und dem Staat mitgeteilt, dass sie das Werk nicht verlassen werden, bevor es nicht verstaatlicht und die Produktion auf Infrastruktur für erneuerbare Energie umgestellt wird.
Gleichzeitig gibt es weiterhin diejenigen, die alles herunterspielen, um ihre Profite oder ihren Komfort gegen jegliche Art von Einschränkung im Namen des Klimaschutzes verteidigen. Schützenhilfe bekommen sie von enthemmten Spießgesell*innen, die hinter jeder Art von Klimaschutz eine Verschwörung wittern und die, einem paranoiden Wahn gleich, immer neue Wellen des Hasses entfachen. Diesen Hass zu spüren bekommen Menschen, die sich für eine sozial gerechte und auf die Umwelt achtende Gesellschaft einsetzen. Frauen werden dabei besonders oft und heftig angegriffen.
Das Ausmaß dieses wahnhaften Hasses ist dabei so immens, dass es sich lohnt, über die Ursachen nachzudenken. Warum entsteht bei vielen Menschen so viel Wut beim Gedanken, weniger Auto zu fahren, mit dem Flugzeug zu fliegen oder Fleisch zu essen, um ein Überleben auf diesem Planeten zu ermöglichen?
Manche sicher, weil sie mitbekommen, wie Kraftwerksbetreiber, Industrie oder Frachtwirtschaft aufgrund ihrer politischen Macht fast ungestört weiter CO2 ausstoßen können. Andere sehen ihr Einkommen oder ihren Profit gefährdet.
Und viele drehen durch, weil sie spüren, dass das Leben in dieser Gesellschaft ohne Konsum unerträglich wäre. Die tägliche Entfremdung und all die Entsagungen, die ein Mensch durch Ausbeutung und Fremdbestimmung am Arbeitsplatz oder Arbeitsamt erdulden muss, ist ohne die kleinen materiellen Freuden des Alltags kaum auszuhalten. Kein Wunder also, dass Leute rot sehen bei der Vorstellung, weitere Entbehrungen erleben zu müssen.
Diese latente Wut wird auch von Politiker*innen aktiviert, um autoritäre Maßnahmen gegen ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen oder Grundrechte außer Kraft setzen zu können. So appellieren sie an dieses Gefühl der Entsagung, wenn sie von “hart arbeitenden Menschen” schwadronieren, die angeblich von bettelnden Menschen oder Demonstrationen belästigt würden.
Es ist das permanente Wachstum und ein Kreislauf aus Ausbeutung und Konsum, der diesen Kaputtalismus am Laufen hält. Wir Menschen werden diesen abwickeln müssen, wenn wir auf diesem Planeten mit endlichen natürlichen Ressourcen überleben wollen. Durch Appelle an den Konsumverzicht wird uns das jedoch ebenso wenig gelingen wie mit einem “Green New Deal” oder technologischen Innovationen wie dem Elektroauto.
Es ist eine radikale gesellschaftliche Veränderung, die notwendig ist, um die große Klimakatastrophe zu verhindern. Um diese zu bewerkstelligen, brauchen wir Forderungen, die dem Wohl der Menschen genauso dienen wie dem Wohl der Natur. Ein solche Forderung ist die nach einer radikalen Verkürzung der Arbeitszeit: Vier-Stunden-Tage und acht Urlaubswochen müssen genauso ernsthaft in Betracht gezogen werden, wie ein die Existenz und die gesellschaftliche Teilhabe sicherndes Einkommen für alle.
Denn die Reduktion der CO2-Emissionen wird nur durch Maßnahmen umsetzbar sein, die auf den ersten Blick mit einem Verlust an Komfort einhergehen, wie z.B. der Verzicht auf Auto und Flugreisen. Wenn wir aber weniger arbeiten müssen, sind wir auch eher bereit, zeitintensivere Wege zur Arbeit oder in den Urlaub in Kauf zu nehmen. Ohne Reduktion der Arbeitszeit bedeutet der Umstieg auf emissionsarme Verkehrsmittel für viele eine noch größere Stressbelastung.
Und erst wenn wir nicht mehr aus Angst vor der Armut irgendwelche Bullshit-Jobs annehmen müssen, erst wenn wir nicht mehr kuschen müssen, aus Angst nach einem Jobverlust auf der Straße zu landen, erst wenn wir nicht mehr täglich Ausbeutung und Entfremdung ausgeliefert sind, werden wir auch ohne Konsumrausch ein erfüllendes Leben haben.
Es geht darum, das Hamsterrad der Lohnarbeit gegen die Freiheit, über das eigene Leben verfügen zu können, zu tauschen. Weniger Stress und weniger Wirtschaftswachstum, dafür mehr Zeit für Familie, Hobbies und Hängematte sowie die anderen Genüsse des Lebens.
Diese Freiheit werden wir uns erkämpfen müssen und erzwingen können wir diese nur durch einen eskalierenden Earth Strike: Einen sich auf möglichst viele Länder ausbreitenden Streik, der Produktion, Transport und Care-Berufe, also Motoren und Rückgrat des Kaputtalismus, lahmlegt und ein Weitermachen verunmöglicht.
Angesichts der politischen Lage haben wir hinsichtlich dieses Vorhabens wenig Grund für Optimismus. Aber dennoch ist es unsere einzige Chance auf ein gutes Leben, denn das alternative Szenario erinnert an einen dystopischen Endzeit-Thriller: steigende Meeresspiegel, Ressourcen- und Trinkwasserknappheit, Schwinden des bewohnbaren Landes, Gewalt gegen Arme und Geflüchtete, Krieg um zu Ende gehende Ressourcen.