IWW Österreich | die solidarische Gewerkschaft

Niemand hat behauptet, es sei leicht…

on 13. Juli 2016 Allgemein with 0 comments

Von Norma Raymond

Ich arbeite für ein großes, dämliches Unternehmen, das in seinem Bereich praktisch über ein Monopol verfügt. Da rauszukommen ist ein unrealistischer Tagtraum, und so habe ich einige Mechanismen entwickelt, mit meiner Arbeitssituation besser klarzukommen.

Ich hoffe, diese Mechanismen sind nicht Ausdruck eines leichten Stockholm Syndroms. Es ist ziemlich schwer zu rechtfertigen, dass ich für diesen Arbeitgeber arbeite. Darum tue ich, was ich kann, um ihn zu sabotieren, während ich gleichzeitig täglich daran arbeite, eine Gewerkschaft zu gründen.

Ich ermutige meine Kollegen, die Produktion zu verlangsamen. Ich dränge sie, sich tatsächlich krankzumelden, wenn sie sie krank sind. Ich flehe sie an, Probleme am Arbeitsplatz offen anzusprechen. Ich biete ihnen an, sie zu begleiten, wenn ihnen das hilft. Ich sammle mit ihnen Ideen, wie man den Job befriedigender gestalten kann. Ich weise auf Probleme am Arbeitsplatz hin und ermutige zu offenem Austausch darüber.

Das sind alles keine besonderen Taten. Das sind spontane Antworten auf das, was von der Unternehmensleitung kommt.

Einem kranken Arbeiter wird gesagt: „Es passt gerade nicht, wenn du früher gehst“ (als wenn man sich aussuchen könnte, wann man krank wird). Oder: „Du hast noch nicht genug Überstunden, um dich krankzumelden“.

Einer Angestellten, die sexuell belästigt wurde, wird gesagt: „Wir wollen, dass die Leute hier auch mal Witze machen und Spaß haben können“. Oder: „Jungs sind nun mal Jungs“.

Es ist schwierig, große Hoffnungen zu haben, wenn manche der Menschen, die auf diese Weise belästigt werden, sich nicht dagegen wehren wollen. Es ist frustrierend, wenn andere irgendwann die Schnauze voll haben und einfach kündigen.

Die Chefs sagen zu den Mitarbeiterinnen: „Nimm das mal etwas leichter“ – als wenn die Mitarbeiterinnen selbst schuld wären, wenn sie belästigt werden.

Die Chefs schützen dich normalerweise nicht. Darum musst du lernen, dich selbst zu schützen. Die Chefs sind eigentlich überflüssig. Aber sie geben dir das Gefühl, dass du derjenige bist, auf den man verzichten kann.

Darum müssen wir aufstehen, zusammenstehen und uns auf unsere Rechte besinnen. Im IWW-Organizer-Training 101 habe ich gelernt, dass Menschen uns enttäuschen werden, wenn wir versuchen mit ihnen eine Gewerkschaft zu formen. Ein Freund, der versprochen hat, uns zu unterstützen bekommt vielleicht Angst und macht nicht mehr mit. Der Typ, der gestern noch 100%ig dabei war, steigt morgen vielleicht aus.

Aber man hat mir auch gesagt, dass jemand von dem man es nie erwartet hätte, vielleicht einen geheimen Groll hegt und nur darauf wartet, sich einer Gewerkschaft anzuschließen.

Jemand anderes muss vielleicht nur noch ein paar Informationen bekommen, damit er fröhlich mitmacht.

Ich versuche ein Vorbild darin zu sein, für andere einzutreten. Ich hoffe, dass wenn ich ein Beispiel gebe, andere mitmachen werden.

Ich höre den Leuten zu und nehme sie ernst. Ich stehe meinen Kollegen bei und ich stehe für mich selbst ein. Ich hoffe, dass die anderen auch für mich einstehen, aber ich bin da vorsichtig, denn ich weiß, dass sie mich vielleicht auch hängen lassen würden.

Ich mache mir kritische Gedanken über das, was die Chefs sagen und darüber, was sie vielleicht wirklich meinen. Ich habe ihr Spiel gelernt und ich denke immer strategisch.

Es ist ein Paradox. Der Kampf ist schwierig, aber irgendwie ergibt er sich auch von selbst. Er ist langwierig, aber auch ermutigend. Der Kampf kann dich einsam machen aber dir auch ein Gefühl von Stärke geben. Er kann dein Herz brechen, es aber auch mit Stolz erfüllen. Es ist nicht leicht und irgendwie doch ganz einfach!

Die einzige Konstante ist: Der Kampf ist viel zu bedeutsam, um sich zu erlauben, die Hoffnung aufzugeben. Es geht nicht nur um dich, sondern um deine Kollegen, deine Freunde, deine Familie und die Generationen nach uns.

So viele Menschen vor dir haben für dich gekämpft. Manche sagen vielleicht: „Früher war es viel schlimmer“ – aber das darf dir nicht den Blick dafür nehmen, wie viel besser es einmal werden kann.

Das Englische Original dieses Artikels ist im Industrial Worker Nr. 1773 April 2014 erschienen: http://de.scribd.com/doc/260732271/Industrial-Worker-Issue-1773-April-2015